Porträts Conrad Gessner

Auf dem höchsten Punkt des alten Botanischen Gartens in Zürich wurde 1997 der Gessner-Garten angelegt, bewacht von Conrad Gessners Büste.
Foto: Liz Sutter
Auf den Spuren von Conrad Gessner - Universalgelehrter, Stadtarzt und leidenschaftlicher Botaniker
Zürichs wichtigster Gärtner
Er sammelte das Wissen der Alten Welt, schrieb mehr als 70 Bücher, war mit den bedeutendsten Gelehrten seiner Zeit in Kontakt und ist seiner Vaterstadt, trotz allem, ein Leben lang treu geblieben.
Lange war man sich nicht einig darüber, wo der grosse Naturforscher gewohnt hatte, und auch das genaue Geburtsdatum ist nicht belegt. Es kann der 16. oder der 26. März des Jahres 1516 gewesen sein, als Conrad Gessner in Zürich zur Welt kam. In eine Welt im Umbruch. Es war die Zeit der Seefahrer, des Humanismus, der Reformation. Vor einem knappen Vierteljahrhundert war die Neue Welt entdeckt worden, die Eidgenossen hatten ein Jahr zuvor die Schlacht bei Marignano verloren, in Zürich würde bald Huldrych Zwingli die Kanzel des Grossmünsters besteigen.
Conrad war eines von vielen Kindern des Kürschners Andreas Gessner und seiner Frau Agathe. Mit fünf wurde er in die Deutsche Schule geschickt, drei Jahre später wechselte er in die Lateinschule im Fraumünster, und schon als Dreizehnjähriger studierte er am Carolinum im Grossmünster. An dieser Theologenschule wurde unter anderem Hebräisch, Physik und Ethik gelehrt. Zürich war inzwischen eine reformierte Stadt geworden.
„Geliebter Zwingli, ... ich habe alles und habe nichts ...“
Weil der Vater dem lernbegierigen Knaben keine angemessene Bildung ermöglichen konnte, kam Conrad sehr früh zu einem Onkel seiner Mutter, der Kaplan in Zürich war. Ein Glücksfall, vor allem, was die Botanik betraf. Im Vorwort zu seinem Pflanzenkatalog ‚Namenbuch aller Erdgewächsen’ schrieb Gessner 1542 über seinen Grossonkel: „Er lehrte mich, sein einziges, kleines Gärtchen bauen und besorgen, sagte mir die Namen der darin befindlichen Pflanzen so oft vor, dass ich ihm auf seinen Befehl jede, die er nannte, vom Felde oder aus seinem Garten sogleich bringen konnte.“
Conrad Gessner hat fast immer Geldsorgen gehabt, aber er suchte und fand auch stets Menschen, die ihn unterstützten. Mit vierzehn schrieb er einen Brief an Zwingli, selbstverständlich in Latein, in welchem er um ein Stipendium bat, das ihm auch gewährt wurde. Der junge Student war stark beeinflusst von der Lehre des Reformators, die den Menschen von der Vormundschaft durch die Kirche befreien wollte und eine neue, natürliche Bindung an Gott anstrebte. Als Zwingli 1531 im Zweiten Kappelerkrieg fiel, wo auch Andreas Gessner umkam, verlor Conrad mit einem Schlag den Vater, das Vorbild und den Wohltäter. Aber trotz aller Trauer verfolgte er seinen Weg weiter.
Strassburg, Bourges, Paris - und Barbara aus Liestal
Mit 16 Jahren wurde Conrad Gessner Famulus bei einem Professor in Strassburg, wo es ihm überhaupt nicht behagte, weil er kaum zum Studieren kam. Er beschwerte sich bei Heinrich Bullinger, Zwinglis Nachfolger am Grossmünster, und bekam ein Stipendium für Bourges und Paris. Das war eine andere Welt. Er begann, sich für Medizin zu interessieren und las alles, was er sich beschaffen konnte. Vielleicht reifte damals der Wunsch, einmal das gesamte Wissen seiner Zeit, überschaubar geordnet, in Büchern zu versammeln. Der Aufenthalt in Paris nahm jedoch ein Ende, als dort immer öfter Protestanten auf dem Scheiterhaufen landeten, und der mittlerweile 19-Jährige kehrte nach Zürich zurück, zusammen mit einer sehr jungen Ehefrau. Die überstürzte Heirat mit der schönen, frommen aber lebensuntüchtigen Barbara Singysen, die höchstwahrscheinlich aus Liestal stammte, wurde ihm in seiner Vaterstadt übelgenommen. Man bestrafte ihn mit einer miserabel bezahlten Lehrerstelle in der Lateinschule.
Wieder wurde ihm geholfen, diesmal mit einem Stipendium zum Medizinstudium in Basel. Dort wunderte man sich, wie man in Zürich einen so talentierten jungen Mann verkommen lassen konnte. 1541 schrieb er seine Doktorarbeit über die Frage, ob die menschlichen Sinne vom Herzen oder vom Gehirn aus gesteuert werden. Der fortschrittlich denkende Gessner plädierte für das Gehirn.
Ein Jahr später erschien bei Froschauer sein ‚Pflanzenkatalog’, der von Ärzten, Apothekern und Botanikern dankbar aufgenommen wurde. Um auch weniger gelehrten Menschen das Reich der Pflanzen näher zu bringen, hatte er nicht nur die griechischen und lateinischen, sondern auch die deutschen und französischen Namen aufgeführt. Seit Jahren hatte Gessner Pflanzen gesammelt, besonders in der Umgebung von Lausanne, wo er eine Zeitlang als Griechischlehrer angestellt war. In Zürich unternahm er Exkursionen um den Katzen- und den Greifensee, ins Sihltal oder auf den Albis. Jedes Jahr bestieg er mindestens einen Alpengipfel, auch um seine Alltagssorgen ein wenig zu vergessen. Die Angst vor Dämonen und Drachen, wie sie unter anderem am Pilatus hausen sollten, fand Gessner lächerlich. Er kehrte jeweils gestärkt aus den Bergen zurück, und natürlich mit unzähligen Pflanzen. Für das ganz grosse Werk über die Botanik, das ihm vorschwebte, sollte seine Lebenszeit nicht ausreichen. Heute kennt man Conrad Gessner vor allem wegen seiner ‚Naturgeschichte der Tiere’.
Forstteufel, gehörnter Hase und ein besonders schönes Nashorn
1541 waren in Zürich alle Professorenstellen besetzt, und der junge Doktor musste sich einmal mehr mit einer schlecht bezahlten Lektorenstelle am Carolinum begnügen. Um sein Gehalt aufzubessern, übersetzte er antike Werke vom Griechischen ins Lateinische und verbrachte ganze Nächte am Schreibtisch. Heute kann man sich kaum mehr vorstellen, wie jemand unter den damaligen Verhältnissen, in ungeheizten, schlecht beleuchteten Räumen und mit dem Federkiel als Schreibwerkzeug, ein solches Werk vollbringen konnte. Und dies bei meist schlechter Gesundheit. Es war sein eiserner Wille, der ihn antrieb sowie der Wunsch, diese Welt in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Arbeit bedeutete ihm auch Erholung. Während er sich nach einem Zusammenbruch mit seiner Frau in Leukerbad aufhielt, schrieb er eine Abhandlung über Heilbäder in Helvetien und Germanien, als Beitrag zu einer Art europäischem Bäderführer.
Zwischen 1545 und 1555 erschien das Werk, das ihm den Ruf eines grossen Bibliographen einbrachte: Die ‚Bibliotheca universalis’, ein Lexikon aller bis anhin bekannten rund 3000 Autoren und ihrer Werke, angereichert mit Lebensdaten sowie seinen persönlichen Kommentaren. Daneben publizierte Gessner regelmässig Bücher zu medizinischen Themen, sei es als Autor oder Herausgeber.
Der erste Band des bereits erwähnten Tierbuches ‚Historia Animalium’ wurde 1551 bei Froschauer gedruckt. Es behandelte die Säugetiere und enthielt 82 Holzschnitte, darunter auch das weltberühmte Nashorn nach einer Zeichnung von Albrecht Dürer. Zu Gessners Lebzeiten erschienen noch die Bände über die Amphibien, die Vögel und die Fische. 1560 gab es bereits eine zweite Ausgabe, die er Königin Elisabeth I von England widmete mit den Worten: „Denn zur besseren Erkenntnis Gottes soll uns die Betrachtung aller und jeglicher Dinge des Universums führen ...“
Experimente mit Christrosen, Tabak und Tomaten
1554 wurde Conrad Gessner Stadtarzt und vier Jahre später Chorherr am Grossmünster. Seine wirtschaftliche Lage verbesserte sich allmählich und er konnte das Haus zum „Sonnenzeit“ an der Frankengasse, das er 1550 gekauft hatte, mehrmals umbauen. Dort richtete er sich auch ein Studierzimmer ein, das er ‚Museum’ nannte. Seine Tätigkeit und sein Interesse beschränkten sich jedoch nie auf Zürich. Er unternahm regelmässig längere Reisen, zum Beispiel nach Frankfurt an die Buchmesse oder zu einem befreundeten Gelehrten nach Venedig. Er schickte Boten in andere Städte und korrespondierte mit Kollegen in halb Europa. Gessner war, wie man heute sagen würde, bestens vernetzt. Ein grosser Teil des regen Briefverkehrs war dem Austausch über Pflanzen gewidmet, Samen wurden hin und hergeschickt. Neben seiner Tätigkeit als Lehrer und Arzt fand Gessner immer noch Zeit, sich um seinen Garten zu kümmern. Damals gab es in Zürich höchstens Gemüsebeete und ein paar Kräutergärten. Anlagen, Pärke und Blumenschmuck, wie sie heute zur Verschönerung der Stadt beitragen, waren ein Luxus, den sich nur Fürsten und Könige leisten konnten.
Weil die Wirkung vieler Pflanzen noch unbekannt war, probierte Gessner sie an sich selber aus. Und nahm dabei auch Vergiftungen in Kauf, wie zum Beispiel mit der Christrose, die ein starkes Alkaloid enthält. Auch mit Gewächsen aus der Neuen Welt machte er Bekanntschaft. Vom Rauch der verbrannten Tabakblätter wurde ihm schwindlig. Die Tomaten, die er in seinem Garten zog, fand er „nicht unangenehm zu essen, auch nicht schädlich.“ Die Bevölkerung brauchte noch mindestens zweihundert Jahre, um sich mit dem Liebesapfel anzufreunden. Ebenso lange dauerte es, bis Gessner Idee zu einem öffentlichen Botanischen Garten verwirklicht wurde. Und zwei Jahrhunderte vergingen, bis das grosse Pflanzenwerk ‚Historia Plantarum’, an dem er die letzten Jahre unermüdlich gearbeitet hatte, in Nürnberg herauskam. Vorher hatte sich niemand der Aufgabe gewachsen gefühlt.
1564 gelang es dem Stadtarzt Gessner, seinen alten Freund Heinrich Bullinger von der Pest zu heilen, die damals in Zürich grassierte. Ein Jahr später, als eine neue Pestwelle die Stadt erreichte, erkrankte er selber. Am 13. Dezember 1565 liess er sich von seiner Frau in sein „Museum“ führen, wo er kurz nach elf Uhr in der Nacht verstarb. Er wurde im Kreuzgang des Grossmünsters begraben, unter Anteilnahme von Hunderten von Menschen.
Gessners Grab fiel später Umbauarbeiten zum Opfer. Kaum etwas, ausser dem Gessner-Garten, erinnert heute in Zürich an den grossen Mann. Die Gessnerallee und die gleichnamige Brücke sind nach dem Dichter und Maler Salomon Gessner (1730-1788) benannt, Conrad Gessners selber hatte keine direkten Nachkommen – ausser seinem Werk.
Porträts Conrad Gessner

Auf dem höchsten Punkt des alten Botanischen Gartens in Zürich wurde 1997 der Gessner-Garten angelegt, bewacht von Conrad Gessners Büste.
Foto: Liz Sutter
Auf den Spuren von Conrad Gessner - Universalgelehrter, Stadtarzt und leidenschaftlicher Botaniker
Zürichs wichtigster Gärtner
Er sammelte das Wissen der Alten Welt, schrieb mehr als 70 Bücher, war mit den bedeutendsten Gelehrten seiner Zeit in Kontakt und ist seiner Vaterstadt, trotz allem, ein Leben lang treu geblieben.
Lange war man sich nicht einig darüber, wo der grosse Naturforscher gewohnt hatte, und auch das genaue Geburtsdatum ist nicht belegt. Es kann der 16. oder der 26. März des Jahres 1516 gewesen sein, als Conrad Gessner in Zürich zur Welt kam. In eine Welt im Umbruch. Es war die Zeit der Seefahrer, des Humanismus, der Reformation. Vor einem knappen Vierteljahrhundert war die Neue Welt entdeckt worden, die Eidgenossen hatten ein Jahr zuvor die Schlacht bei Marignano verloren, in Zürich würde bald Huldrych Zwingli die Kanzel des Grossmünsters besteigen.
Conrad war eines von vielen Kindern des Kürschners Andreas Gessner und seiner Frau Agathe. Mit fünf wurde er in die Deutsche Schule geschickt, drei Jahre später wechselte er in die Lateinschule im Fraumünster, und schon als Dreizehnjähriger studierte er am Carolinum im Grossmünster. An dieser Theologenschule wurde unter anderem Hebräisch, Physik und Ethik gelehrt. Zürich war inzwischen eine reformierte Stadt geworden.
„Geliebter Zwingli, ... ich habe alles und habe nichts ...“
Weil der Vater dem lernbegierigen Knaben keine angemessene Bildung ermöglichen konnte, kam Conrad sehr früh zu einem Onkel seiner Mutter, der Kaplan in Zürich war. Ein Glücksfall, vor allem, was die Botanik betraf. Im Vorwort zu seinem Pflanzenkatalog ‚Namenbuch aller Erdgewächsen’ schrieb Gessner 1542 über seinen Grossonkel: „Er lehrte mich, sein einziges, kleines Gärtchen bauen und besorgen, sagte mir die Namen der darin befindlichen Pflanzen so oft vor, dass ich ihm auf seinen Befehl jede, die er nannte, vom Felde oder aus seinem Garten sogleich bringen konnte.“
Conrad Gessner hat fast immer Geldsorgen gehabt, aber er suchte und fand auch stets Menschen, die ihn unterstützten. Mit vierzehn schrieb er einen Brief an Zwingli, selbstverständlich in Latein, in welchem er um ein Stipendium bat, das ihm auch gewährt wurde. Der junge Student war stark beeinflusst von der Lehre des Reformators, die den Menschen von der Vormundschaft durch die Kirche befreien wollte und eine neue, natürliche Bindung an Gott anstrebte. Als Zwingli 1531 im Zweiten Kappelerkrieg fiel, wo auch Andreas Gessner umkam, verlor Conrad mit einem Schlag den Vater, das Vorbild und den Wohltäter. Aber trotz aller Trauer verfolgte er seinen Weg weiter.
Strassburg, Bourges, Paris - und Barbara aus Liestal
Mit 16 Jahren wurde Conrad Gessner Famulus bei einem Professor in Strassburg, wo es ihm überhaupt nicht behagte, weil er kaum zum Studieren kam. Er beschwerte sich bei Heinrich Bullinger, Zwinglis Nachfolger am Grossmünster, und bekam ein Stipendium für Bourges und Paris. Das war eine andere Welt. Er begann, sich für Medizin zu interessieren und las alles, was er sich beschaffen konnte. Vielleicht reifte damals der Wunsch, einmal das gesamte Wissen seiner Zeit, überschaubar geordnet, in Büchern zu versammeln. Der Aufenthalt in Paris nahm jedoch ein Ende, als dort immer öfter Protestanten auf dem Scheiterhaufen landeten, und der mittlerweile 19-Jährige kehrte nach Zürich zurück, zusammen mit einer sehr jungen Ehefrau. Die überstürzte Heirat mit der schönen, frommen aber lebensuntüchtigen Barbara Singysen, die höchstwahrscheinlich aus Liestal stammte, wurde ihm in seiner Vaterstadt übelgenommen. Man bestrafte ihn mit einer miserabel bezahlten Lehrerstelle in der Lateinschule.
Wieder wurde ihm geholfen, diesmal mit einem Stipendium zum Medizinstudium in Basel. Dort wunderte man sich, wie man in Zürich einen so talentierten jungen Mann verkommen lassen konnte. 1541 schrieb er seine Doktorarbeit über die Frage, ob die menschlichen Sinne vom Herzen oder vom Gehirn aus gesteuert werden. Der fortschrittlich denkende Gessner plädierte für das Gehirn.
Ein Jahr später erschien bei Froschauer sein ‚Pflanzenkatalog’, der von Ärzten, Apothekern und Botanikern dankbar aufgenommen wurde. Um auch weniger gelehrten Menschen das Reich der Pflanzen näher zu bringen, hatte er nicht nur die griechischen und lateinischen, sondern auch die deutschen und französischen Namen aufgeführt. Seit Jahren hatte Gessner Pflanzen gesammelt, besonders in der Umgebung von Lausanne, wo er eine Zeitlang als Griechischlehrer angestellt war. In Zürich unternahm er Exkursionen um den Katzen- und den Greifensee, ins Sihltal oder auf den Albis. Jedes Jahr bestieg er mindestens einen Alpengipfel, auch um seine Alltagssorgen ein wenig zu vergessen. Die Angst vor Dämonen und Drachen, wie sie unter anderem am Pilatus hausen sollten, fand Gessner lächerlich. Er kehrte jeweils gestärkt aus den Bergen zurück, und natürlich mit unzähligen Pflanzen. Für das ganz grosse Werk über die Botanik, das ihm vorschwebte, sollte seine Lebenszeit nicht ausreichen. Heute kennt man Conrad Gessner vor allem wegen seiner ‚Naturgeschichte der Tiere’.
Forstteufel, gehörnter Hase und ein besonders schönes Nashorn
1541 waren in Zürich alle Professorenstellen besetzt, und der junge Doktor musste sich einmal mehr mit einer schlecht bezahlten Lektorenstelle am Carolinum begnügen. Um sein Gehalt aufzubessern, übersetzte er antike Werke vom Griechischen ins Lateinische und verbrachte ganze Nächte am Schreibtisch. Heute kann man sich kaum mehr vorstellen, wie jemand unter den damaligen Verhältnissen, in ungeheizten, schlecht beleuchteten Räumen und mit dem Federkiel als Schreibwerkzeug, ein solches Werk vollbringen konnte. Und dies bei meist schlechter Gesundheit. Es war sein eiserner Wille, der ihn antrieb sowie der Wunsch, diese Welt in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Arbeit bedeutete ihm auch Erholung. Während er sich nach einem Zusammenbruch mit seiner Frau in Leukerbad aufhielt, schrieb er eine Abhandlung über Heilbäder in Helvetien und Germanien, als Beitrag zu einer Art europäischem Bäderführer.
Zwischen 1545 und 1555 erschien das Werk, das ihm den Ruf eines grossen Bibliographen einbrachte: Die ‚Bibliotheca universalis’, ein Lexikon aller bis anhin bekannten rund 3000 Autoren und ihrer Werke, angereichert mit Lebensdaten sowie seinen persönlichen Kommentaren. Daneben publizierte Gessner regelmässig Bücher zu medizinischen Themen, sei es als Autor oder Herausgeber.
Der erste Band des bereits erwähnten Tierbuches ‚Historia Animalium’ wurde 1551 bei Froschauer gedruckt. Es behandelte die Säugetiere und enthielt 82 Holzschnitte, darunter auch das weltberühmte Nashorn nach einer Zeichnung von Albrecht Dürer. Zu Gessners Lebzeiten erschienen noch die Bände über die Amphibien, die Vögel und die Fische. 1560 gab es bereits eine zweite Ausgabe, die er Königin Elisabeth I von England widmete mit den Worten: „Denn zur besseren Erkenntnis Gottes soll uns die Betrachtung aller und jeglicher Dinge des Universums führen ...“
Experimente mit Christrosen, Tabak und Tomaten
1554 wurde Conrad Gessner Stadtarzt und vier Jahre später Chorherr am Grossmünster. Seine wirtschaftliche Lage verbesserte sich allmählich und er konnte das Haus zum „Sonnenzeit“ an der Frankengasse, das er 1550 gekauft hatte, mehrmals umbauen. Dort richtete er sich auch ein Studierzimmer ein, das er ‚Museum’ nannte. Seine Tätigkeit und sein Interesse beschränkten sich jedoch nie auf Zürich. Er unternahm regelmässig längere Reisen, zum Beispiel nach Frankfurt an die Buchmesse oder zu einem befreundeten Gelehrten nach Venedig. Er schickte Boten in andere Städte und korrespondierte mit Kollegen in halb Europa. Gessner war, wie man heute sagen würde, bestens vernetzt. Ein grosser Teil des regen Briefverkehrs war dem Austausch über Pflanzen gewidmet, Samen wurden hin und hergeschickt. Neben seiner Tätigkeit als Lehrer und Arzt fand Gessner immer noch Zeit, sich um seinen Garten zu kümmern. Damals gab es in Zürich höchstens Gemüsebeete und ein paar Kräutergärten. Anlagen, Pärke und Blumenschmuck, wie sie heute zur Verschönerung der Stadt beitragen, waren ein Luxus, den sich nur Fürsten und Könige leisten konnten.
Weil die Wirkung vieler Pflanzen noch unbekannt war, probierte Gessner sie an sich selber aus. Und nahm dabei auch Vergiftungen in Kauf, wie zum Beispiel mit der Christrose, die ein starkes Alkaloid enthält. Auch mit Gewächsen aus der Neuen Welt machte er Bekanntschaft. Vom Rauch der verbrannten Tabakblätter wurde ihm schwindlig. Die Tomaten, die er in seinem Garten zog, fand er „nicht unangenehm zu essen, auch nicht schädlich.“ Die Bevölkerung brauchte noch mindestens zweihundert Jahre, um sich mit dem Liebesapfel anzufreunden. Ebenso lange dauerte es, bis Gessner Idee zu einem öffentlichen Botanischen Garten verwirklicht wurde. Und zwei Jahrhunderte vergingen, bis das grosse Pflanzenwerk ‚Historia Plantarum’, an dem er die letzten Jahre unermüdlich gearbeitet hatte, in Nürnberg herauskam. Vorher hatte sich niemand der Aufgabe gewachsen gefühlt.
1564 gelang es dem Stadtarzt Gessner, seinen alten Freund Heinrich Bullinger von der Pest zu heilen, die damals in Zürich grassierte. Ein Jahr später, als eine neue Pestwelle die Stadt erreichte, erkrankte er selber. Am 13. Dezember 1565 liess er sich von seiner Frau in sein „Museum“ führen, wo er kurz nach elf Uhr in der Nacht verstarb. Er wurde im Kreuzgang des Grossmünsters begraben, unter Anteilnahme von Hunderten von Menschen.
Gessners Grab fiel später Umbauarbeiten zum Opfer. Kaum etwas, ausser dem Gessner-Garten, erinnert heute in Zürich an den grossen Mann. Die Gessnerallee und die gleichnamige Brücke sind nach dem Dichter und Maler Salomon Gessner (1730-1788) benannt, Conrad Gessners selber hatte keine direkten Nachkommen – ausser seinem Werk.