Architektur Luigi Snozzi
Pinocchio, der Ungehorsam und der leere Raum
Die Architekten Luigi Snozzi und Gustavo Groisman haben zusammen mit Sabina Snozzi Groisman einen Hügel aus Holz gebaut und damit drei ungewöhnliche Ausstellungsorte geschaffen. Liz Sutter sprach mit ihnen über die Entstehung der „Piazza Pinocchio”.
Dem Tessiner Luigi Snozzi war Pinocchio seit frühester Kindheit vertraut, und er war begeistert, als Cathy Karatchian die Figur für ihr Expo-Projekt auswählte und neu interpretierte. Seither sind alle in der Architektenfamilie, samt Schwiegersohn Gustavo Groisman, Tochter Sabina Snozzi Groisman und der zehnjährigen Enkelin, zu Pinocchio-Experten geworden. „Die erste grosse Herausforderung”, sagt Luigi Snozzi, „war die Frage: Gibt es eine Architektur für Kinder? Man kennt Walt Disney, aber das war für uns kein Anhaltspunkt. „Die zweite Frage war”, so Gustavo Groisman, „ ob es möglich ist, mit architektonischen Mitteln eine Geschichte zu erzählen und die spezielle Atmophäre der Pinocchio-Welt zu vermitteln.”
„Als Sie mit Ihrer Arbeit begannen, waren Plattform und Galets vollendete Tatsachen. War das für Sie ein Problem?”
Luigi Snozzi: „Ein Riesenproblem! Das Galet sollte in Tortenstücke aufgeteilt und die drei Ausstellungen Ada, Robotics und Pinocchio in Boxen untergebracht werden, ohne Bezug zu Stadt und See. Unmöglich! haben wir gesagt.”
Groisman: „Anstatt grosse Gebäude unter das Galet-Dach zu stellen und dazwischen toten Raum in Kauf zu nehmen, wölbten wir die Plattform zu einem Hügel. Darauf steht das toskanische Dorf mit der „Piazza Pinocchio”, im Innenraum entstand genügend Platz für die beiden andern Ausstellungen. Und von oben hat man erst noch einen Ausblick auf See und Berge, wie sonst nirgends auf der Plattform.
Wenn man auf der Piazza steht, hat man gleichzeitig ein Gefühl von Weite und von Geborgenheit. Wie haben Sie das erreicht?
„Magie!”, meint Snozzi und lacht. „Im Ernst: Es ist die Beschränkung auf eine Farbe und ein Material, in diesem Falle Holz. Das schafft einen Bezug zum hölzernen Pinocchio, ist warm und angenehm.” – „Es sind billige Holzelemente”, setzt Groisman hinzu, „aber durch die schachbrettartige Anordnung entstehen wundervolle Lichteffekte, fast wie Marmor.” – Und Snozzi fährt fort: „Diese Einfachheit bringt den Raum zur Geltung. Belebt wird er durch die Kinder in ihren bunten Kleidern.”
Zu welchem Zeitpunkt beziehen Sie die Menschen in Ihre Überlegungen ein?
Luigi Snozzi: „Man baut ja immer für Menschen, aber man muss sich zuerst mit den Gegebenheiten des Ortes beschäftigen, dann können sich die Leute später in der Architektur wohlfühlen. Wir mögen diese übermöblierten Städte und Plätze nicht, wo vorgeschrieben wird, wo man sich küsst und wo man ausruht. Ein gut gestalteter Platz gibt den Menschen Raum.” Groisman: „Unsere Piazza soll die Menschen willkommen heissen. Darum lehnten wir den Zugang über Kontrolleingänge usw. ab und bauten stattdessen die grosse Freitreppe, die man nach Lust und Laune nutzen kann.”
Herr Groisman, werden Sie Ihre Tochter beim ersten Rundgang begleiten?
„Nein. Ich werde mich solange auf die Treppe setzen. Sie soll mir hinterher sagen, ob es ihr gefällt oder nicht. Ich will, dass die Kinder den Platz in Besitz nehmen. Die Häuser haben niedrige Türen;.ein klarer Fingerzeig, dass sie nicht für die Grossen gedacht sind.” – „Und ein optischer Trick!”, wirft Snozzi ein. „So wirken sie wie normal grosse Häuser, die man aus der Ferne sieht. Hätten die Türen die übliche Höhe, schienen die Häuser klein.”
Und wo ist die Lüge in alledem?
Luigi Snozzi: „Für mich ist Pinocchio vor allem eine Geschichte des Ungehorsams. Nur am Ende wird er ein kleiner braver Bourgeois. Ich erinnere mich, dass ich das Buch damals aus lauter Enttäuschung ins Feuer warf.” - Groisman: „Wir dachten, es wäre gut in einem Land wie der Schweiz, wenn die Kinder sich eine Stunde lang anders aufführen dürften als sonst.” - Snozzi: „Wir wollten Gendarmen, die die Braven ins Gefängnis stecken. Wir suchten ein wenig die Provokation ... Ich persönlich hätte es vorgezogen, wenn alle Häuser leer geblieben wären und die Kinder darin hätte machen können, was sie wollen. Aber es gibt viele Interpretationsmöglichkeiten.”
Gustavo Groisman: „Jetzt werden Themen aus dem Buch aufgenommen, Wasser, Feuer, Erde etc. und die Kinder mit verschiedenen Situationen konfrontiert. Unsere Architektur ist eben offen für alles.”
Architektur Luigi Snozzi
Pinocchio, der Ungehorsam und der leere Raum
Die Architekten Luigi Snozzi und Gustavo Groisman haben zusammen mit Sabina Snozzi Groisman einen Hügel aus Holz gebaut und damit drei ungewöhnliche Ausstellungsorte geschaffen. Liz Sutter sprach mit ihnen über die Entstehung der „Piazza Pinocchio”.
Dem Tessiner Luigi Snozzi war Pinocchio seit frühester Kindheit vertraut, und er war begeistert, als Cathy Karatchian die Figur für ihr Expo-Projekt auswählte und neu interpretierte. Seither sind alle in der Architektenfamilie, samt Schwiegersohn Gustavo Groisman, Tochter Sabina Snozzi Groisman und der zehnjährigen Enkelin, zu Pinocchio-Experten geworden. „Die erste grosse Herausforderung”, sagt Luigi Snozzi, „war die Frage: Gibt es eine Architektur für Kinder? Man kennt Walt Disney, aber das war für uns kein Anhaltspunkt. „Die zweite Frage war”, so Gustavo Groisman, „ ob es möglich ist, mit architektonischen Mitteln eine Geschichte zu erzählen und die spezielle Atmophäre der Pinocchio-Welt zu vermitteln.”
„Als Sie mit Ihrer Arbeit begannen, waren Plattform und Galets vollendete Tatsachen. War das für Sie ein Problem?”
Luigi Snozzi: „Ein Riesenproblem! Das Galet sollte in Tortenstücke aufgeteilt und die drei Ausstellungen Ada, Robotics und Pinocchio in Boxen untergebracht werden, ohne Bezug zu Stadt und See. Unmöglich! haben wir gesagt.”
Groisman: „Anstatt grosse Gebäude unter das Galet-Dach zu stellen und dazwischen toten Raum in Kauf zu nehmen, wölbten wir die Plattform zu einem Hügel. Darauf steht das toskanische Dorf mit der „Piazza Pinocchio”, im Innenraum entstand genügend Platz für die beiden andern Ausstellungen. Und von oben hat man erst noch einen Ausblick auf See und Berge, wie sonst nirgends auf der Plattform.
Wenn man auf der Piazza steht, hat man gleichzeitig ein Gefühl von Weite und von Geborgenheit. Wie haben Sie das erreicht?
„Magie!”, meint Snozzi und lacht. „Im Ernst: Es ist die Beschränkung auf eine Farbe und ein Material, in diesem Falle Holz. Das schafft einen Bezug zum hölzernen Pinocchio, ist warm und angenehm.” – „Es sind billige Holzelemente”, setzt Groisman hinzu, „aber durch die schachbrettartige Anordnung entstehen wundervolle Lichteffekte, fast wie Marmor.” – Und Snozzi fährt fort: „Diese Einfachheit bringt den Raum zur Geltung. Belebt wird er durch die Kinder in ihren bunten Kleidern.”
Zu welchem Zeitpunkt beziehen Sie die Menschen in Ihre Überlegungen ein?
Luigi Snozzi: „Man baut ja immer für Menschen, aber man muss sich zuerst mit den Gegebenheiten des Ortes beschäftigen, dann können sich die Leute später in der Architektur wohlfühlen. Wir mögen diese übermöblierten Städte und Plätze nicht, wo vorgeschrieben wird, wo man sich küsst und wo man ausruht. Ein gut gestalteter Platz gibt den Menschen Raum.” Groisman: „Unsere Piazza soll die Menschen willkommen heissen. Darum lehnten wir den Zugang über Kontrolleingänge usw. ab und bauten stattdessen die grosse Freitreppe, die man nach Lust und Laune nutzen kann.”
Herr Groisman, werden Sie Ihre Tochter beim ersten Rundgang begleiten?
„Nein. Ich werde mich solange auf die Treppe setzen. Sie soll mir hinterher sagen, ob es ihr gefällt oder nicht. Ich will, dass die Kinder den Platz in Besitz nehmen. Die Häuser haben niedrige Türen;.ein klarer Fingerzeig, dass sie nicht für die Grossen gedacht sind.” – „Und ein optischer Trick!”, wirft Snozzi ein. „So wirken sie wie normal grosse Häuser, die man aus der Ferne sieht. Hätten die Türen die übliche Höhe, schienen die Häuser klein.”
Und wo ist die Lüge in alledem?
Luigi Snozzi: „Für mich ist Pinocchio vor allem eine Geschichte des Ungehorsams. Nur am Ende wird er ein kleiner braver Bourgeois. Ich erinnere mich, dass ich das Buch damals aus lauter Enttäuschung ins Feuer warf.” - Groisman: „Wir dachten, es wäre gut in einem Land wie der Schweiz, wenn die Kinder sich eine Stunde lang anders aufführen dürften als sonst.” - Snozzi: „Wir wollten Gendarmen, die die Braven ins Gefängnis stecken. Wir suchten ein wenig die Provokation ... Ich persönlich hätte es vorgezogen, wenn alle Häuser leer geblieben wären und die Kinder darin hätte machen können, was sie wollen. Aber es gibt viele Interpretationsmöglichkeiten.”
Gustavo Groisman: „Jetzt werden Themen aus dem Buch aufgenommen, Wasser, Feuer, Erde etc. und die Kinder mit verschiedenen Situationen konfrontiert. Unsere Architektur ist eben offen für alles.”