Mein Globus

24. Februar 2022

An der Feldbergstrasse in Basel prangte über einem Hauseingang eine Weltkugel, umweht von einer Banderole mit der Aufschrift «Magazine zum Globus». Mein Vater erklärte, dort sei einmal das Warenhaus Globus gewesen. Aber der Globus, vor dessen Schaufenstern ich vom Erwachsenenleben träumte, befand sich bereits am Basler Marktplatz, bevor mein Vater geboren wurde. Und ob die Weltkugel wirklich so ausgesehen hat, da bin ich mir nicht mehr so sicher.

Sicher bin ich mir hingegen, dass ich im Globus zum ersten Mal das Wort «Avantgarde» las. Es ging um französische Mode Stil St. Germain-des-Prés - ohne Schnörkel, dafür mit viel Schwarz. Lange war ich überzeugt, dass Avantgarde ein Wort aus der Kleiderbranche ist und dass ich, wenn ich erst einmal Geld verdiente, auch zu dieser Avantgarde gehören wollte.

Fürs Erste musste ich mich mit den Prospekten begnügen, welche der Globus in die Briefkästen verteilen liess. Egal ob es um Möbel, Badeanzüge oder Weihnachtsgeschenke ging, Fotos und Gestaltung dieser Werbebroschüren waren tatsächlich Avantgarde. Und die Texte waren so originell, dass ich beschloss, Werbetexterin zu werden und nach Zürich zu ziehen. Hier werbetextete ich jahrelang, auch für das Warenhaus. Ich lernte Menschen kennen, die für Globus nach Indien, Mailand oder Paris reisten, um die Sachen einzukaufen, auf die ich mich als Kundin stürzte. Sie liegen und stehen zum Teil noch immer in meiner Wohnung herum.

Aber dann kam der Tag, an dem ich mit Befremden feststellte, dass das Haus kein Grand Magasin mehr war, wo ähnliche Artikel verschiedener Marken nebeneinander angeboten werden. Stattdessen musste ich Nischen oder Stände mehrerer Brands abklappern, als würde ich auf der Strasse von Geschäft zu Geschäft eilen. Das war nicht mehr mein Globus. Trotzdem drückte ich neulich am Löwenplatz eine der Eingangstüren auf, um im neu eingerichteten Haus einen Augenschein zu nehmen. Kundinnen oder Kunden sah ich kaum, dafür goldene Damen, die sich vor glänzenden Tischen langweilten. Alles sah aus wie in Paris. Nicht wie im legendären St. Germain-des-Prés sondern wie in den Galeries Lafayette oder im Printemps Haussmann. Die selben Marken, dasselbe Blingbling, dasselbe Gähnen. Verdutzt blieb ich stehen, dann bekam ich einen Lachanfall. Es war das Lachen, das man lacht, wenn man eigentlich weinen möchte. Dieser Ort war nicht für mich gedacht, sondern für steinreiche Touristen aus Qatar, Mumbai oder Leningrad. Meinen Globus gibt es nicht mehr. «Und Sie gibt es bald auch nicht mehr», dachte sich die Parfumwolke am nächsten Stand, welche mich musterte. Also machte ich kehrt. Für immer.

Aktuelles Mein Globus

24. Februar 2022

An der Feldbergstrasse in Basel prangte über einem Hauseingang eine Weltkugel, umweht von einer Banderole mit der Aufschrift «Magazine zum Globus». Mein Vater erklärte, dort sei einmal das Warenhaus Globus gewesen. Aber der Globus, vor dessen Schaufenstern ich vom Erwachsenenleben träumte, befand sich bereits am Basler Marktplatz, bevor mein Vater geboren wurde. Und ob die Weltkugel wirklich so ausgesehen hat, da bin ich mir nicht mehr so sicher.

Sicher bin ich mir hingegen, dass ich im Globus zum ersten Mal das Wort «Avantgarde» las. Es ging um französische Mode Stil St. Germain-des-Prés - ohne Schnörkel, dafür mit viel Schwarz. Lange war ich überzeugt, dass Avantgarde ein Wort aus der Kleiderbranche ist und dass ich, wenn ich erst einmal Geld verdiente, auch zu dieser Avantgarde gehören wollte.

Fürs Erste musste ich mich mit den Prospekten begnügen, welche der Globus in die Briefkästen verteilen liess. Egal ob es um Möbel, Badeanzüge oder Weihnachtsgeschenke ging, Fotos und Gestaltung dieser Werbebroschüren waren tatsächlich Avantgarde. Und die Texte waren so originell, dass ich beschloss, Werbetexterin zu werden und nach Zürich zu ziehen. Hier werbetextete ich jahrelang, auch für das Warenhaus. Ich lernte Menschen kennen, die für Globus nach Indien, Mailand oder Paris reisten, um die Sachen einzukaufen, auf die ich mich als Kundin stürzte. Sie liegen und stehen zum Teil noch immer in meiner Wohnung herum.

Aber dann kam der Tag, an dem ich mit Befremden feststellte, dass das Haus kein Grand Magasin mehr war, wo ähnliche Artikel verschiedener Marken nebeneinander angeboten werden. Stattdessen musste ich Nischen oder Stände mehrerer Brands abklappern, als würde ich auf der Strasse von Geschäft zu Geschäft eilen. Das war nicht mehr mein Globus. Trotzdem drückte ich neulich am Löwenplatz eine der Eingangstüren auf, um im neu eingerichteten Haus einen Augenschein zu nehmen. Kundinnen oder Kunden sah ich kaum, dafür goldene Damen, die sich vor glänzenden Tischen langweilten. Alles sah aus wie in Paris. Nicht wie im legendären St. Germain-des-Prés sondern wie in den Galeries Lafayette oder im Printemps Haussmann. Die selben Marken, dasselbe Blingbling, dasselbe Gähnen. Verdutzt blieb ich stehen, dann bekam ich einen Lachanfall. Es war das Lachen, das man lacht, wenn man eigentlich weinen möchte. Dieser Ort war nicht für mich gedacht, sondern für steinreiche Touristen aus Qatar, Mumbai oder Leningrad. Meinen Globus gibt es nicht mehr. «Und Sie gibt es bald auch nicht mehr», dachte sich die Parfumwolke am nächsten Stand, welche mich musterte. Also machte ich kehrt. Für immer.