Natur | Umwelt Asche ist kein Abfall
Eine Runde auf der Aschenbahn
Asche ist Abfall. Weder Raucherinnen noch Cheminéebesitzer mögen einen Gedanken an dieses unansehnliche Produkt verschwenden. Und wer denkt schon gern an die irgendwann anfallende eigene Asche im Topf in der Nische. Dass der graue Verbrennungsrückstand genutzt oder gar gegessen werden kann, klingt reichlich absurd.
Gebrannte Creme einmal anders
Der Basler Couturier Fred Spillmann (1915 – 1986) war nicht nur berühmt für seine Kreationen und seinen Lebensstil, er war auch ein von tout Bâle gerühmter Koch. In der Biografie „FS” erzählt der Journalist –minu: ”Fred Spillmann hat mir in all unsern gemeinsamen Küchenjahren 1000 Tricks beigebracht. Er hat Vanillecrème aus dem Päckchen angerührt. Dann ein Eigelb unter die erkaltete Crème geschwungen. Und zwei Zündhölzchen entflammt. Die Asche hat er über alles gestreut und untergerührt. Schliesslich gestrahlt: ‚Das Eigelb ist für die Farbe. Und die Zündholzasche steht für die Vanille-Schoten. Du wirst sehen, wie die Leute das geniessen ...’ Tatsächlich löffelte der Gästereigen beglückt die Päckchencrème aus den Kristallcoupes.”
Asche zu Glas
Asche, so meint man, habe in Dessertgläsern nichts zu suchen. Aber ohne Asche gäbe es kein Glas. ”Nimm 60 Teile Sand, 180 Teile Asche aus Meerespflanzen, 5 Teile Kreide – und du erhältst Glas” heisst es auf einer Tontafel, die der assyrische König Assurbanipal (669 – ca. 627 v.Chr.) in seiner Bibliothek verwahrte. Das Rezept war nicht neu. Schon rund 2000 Jahre früher hatte man in Mesopotamien aus Salzwasserpflanzen Pottasche (Kaliumkarbonat) gewonnen, diese mit Sand zu Küchlein zusammengebacken und zerrieben. Das Pulver wurde bei grosser Hitze zu Glasmasse geschmolzen. Mit Böhmen, Murano oder Hergiswil hatte dieses frühe Produkt noch wenig gemein; es war undurchsichtig und voller Luftblasen. Im Laufe der Jahrtausende wurde die Glasherstellung stetig verfeinert, aber die Bestandteile sind in etwa die gleichen geblieben. Die Pottasche gewinnt man allerdings nicht mehr aus eingedampften Meerespflanzen, sondern aus Gesteinsarten.
Eine saubere Sache
Dass im Wort ‚waschen’ das Wort Asche steckt, ist reiner Zufall, aber bis vor wenigen Jahrzehnten war im Waschmittel tatsächlich Asche drin. „Meine Asche! Meine kostbare Apfelholzasche verdrecken! Und die Wäsche! Ich hab dir hundertmal gesagt, dass das Tannin in den Kastanienschalen die Wäsche gelb macht ... „So habe ihre Mutter geschimpft, weil sie Kastanien-schalen ins Cheminée geworfen hatte, erzählt die französische Schriftstellerin Colette (1873 – 1955) in ihren Kindheitserinnerungen.
Um Waschlauge herzustellen, weichte man Asche, meist aus Buchenholz, tagelang in Wasser ein. Dann wurde sie aufgekocht und über die Wäsche gegossen. Die Seife, mit der man die Flecken wegrubbelte, enthielt ebenfalls Asche und war auch selbstgemacht. Das Fett von geschlachteten Tieren hat man mit Salz, Kalk und Pottasche gekocht und nach dem Erkalten in Stücke geschnitten. Draufgekommen sind wahrscheinlich auch die Menschen in Mesopotamien, und geändert hat sich daran bis zur Erfindung der synthetischen Waschmittel herzlich wenig. Aber zumindest die Herstellung der Seife konnte die Hausfrau im 20. Jahrhundert den Herren Henkel oder Steinfels überlassen.
Asche aufs Haupt
Susanna Agnelli, Enkelin des Fiat-Gründers und Schwester von Gianni Agnelli erzählt in ihrem Buch ‚Wir trugen immer Matrosenkleider’ wie sie ihre blonden Haare mit Aschenwasser aufhellte. Um dunkles Haar zu blondieren, genügte einfaches Waschen jedoch nicht. Die Venezianerinnen, in der Renaissance berühmt für ihre blonde Haarpracht, mussten dafür tagelang auf dem Balkon ausharren. Sie trugen spezielle Sonnenhüte ohne Boden und benutzten Schwämmchen an langen Stöcken, mit denen sie die Haare immer wieder befeuchteten. Das Wasser enthielt Rebenasche und manchmal auch Safran. Auch diese Technik war damals nicht neu. Die Ägypterinnen des Altertums sollen schon Färbetricks mit Asche gekannt und sogar mit blauen Frisuren Aufsehen erregt haben. Bei den Germanen hingegen seien es die Männer gewesen, die mit Buchenholzasche ihr Haar zum Erröten brachten.
So viel Aufwand wurde getrieben, wenn’s der sündigen Hoffart diente. Bei der Busse danach kam die Asche erneut zum Einsatz.
„Als nun sein Diener sie hinausgejagt und die Türe hinter ihr verriegelt hatte, streute Thamar Asche auf ihr Haupt, zerriss das Aermelkleid, ...” (2. Samuel Kap. 13 Ammons Verschuldung). Asche kommt in der Bibel an unzähligen Stellen vor. Fast immer geht es dabei um Trauer oder Busse. Wir kennen noch den Aschermittwoch, wenn die Fasnacht zu Ende geht. Früher streute der Priester an diesem Tag zum Zeichen der Busse Asche über die Gläubigen oder zeichnete ihnen mit Asche ein Kreuz auf die Stirn. Obwohl das schmutzig aussieht und trostlos anmutet, ist es gleichzeitig ein Ritual der Reinigung und Läuterung. Und ein Symbol für Neuanfang.
Mit der Asche ist die Geschichte nicht zu Ende
Der Vogel Phönix aus der antiken Legende verbrennt sich selber und wird aus der Asche immer wieder neu geboren. Für die Ägypter war er ein Sonnengott, im Christentum wurde der Phönix zum Symbol für die Unsterblichkeit und Auferstehung, also für Christus selbst.
Die Venezianer haben übrigens gut daran getan, Ihr Opernhaus ”La Fenice” - der Phönix, zu nennen. Schon zweimal, 1836 und 1996, ist es abgebrannt und beide Male aus der Asche wieder neu entstanden. Wobei natürlich auch ein tiefer Griff in die Tasche nötig war.
Asche ist kein totes Material. Im verbrannten Holz stecken Nährstoffe wie Kalisalze und Phosphorsäure, und darum gilt sie als hervorragender Dünger für Obstbäume und andere Nutzpflanzen. Noch einmal Colettes Mutter: „Und wenn’s nur um die Wäsche ginge! fuhr Sido fort. Aber du weißt doch, dass die Asche für Kartoffeln absolut rein sein muss!”
Wunderbar ökologisch, dieses Haushalten mit Asche. Im Einklang mit der Natur und mit den Jahreszeiten. Ein einziges Kommen und Gehen, Werden und Sterben ... Und was für ein Aufwand, was für eine Plackerei! Wir sind schon fast überfordert, wenn wir den Abfall sortieren sollen. Aber sortieren Sie mal Asche!
Guten Appetit!
Kugelig oder flach, als Stange, Zylinder, Pyramide oder armdicke Roulade – ihre Formen sind sehr variantereich, ihre Farbe ist schlicht grau. Cendrés, aschfarben, heissen die Käse, die meist aus Frankreich stammen und auch bei uns immer beliebter werden. Die meisten Leute halten den Belag für eine spezielle Art von Schimmel und kämen nicht auf den Gedanken, dass es sich um Asche handelt. Cendrés sind hauptsächlich aus Ziegenmilch und stammen – wir glaubens nur zu gerne – meist aus handwerklicher Produktion. Die Asche, je nach Region aus Buchen- Pappel oder Rebholz, ist nicht nur reine Dekoration. Sie beeinflusst die Bakterienbildung und damit den Geschmack. Unnötig zu sagen, dass die Käslein aus Rohmilch hergestellt sind. Sehr zum Leidwesen der Lebensmittelkontrolleure. Aber das ist eine andere Geschichte. Asche, so jedenfalls siehts der Kantons-Chemiker, hat in einem Lebensmittel nichts zu suchen. Wer will, kann ja den grauen Belag einfach abschaben. Weniger einfach wäre es gewesen, die Aschekrümelchen aus Spillmanns Vanillecrème rauszuklauben. Womit wir die Runde auf der Aschenbahn beendet hätten.
Natur | Umwelt Asche ist kein Abfall
Eine Runde auf der Aschenbahn
Asche ist Abfall. Weder Raucherinnen noch Cheminéebesitzer mögen einen Gedanken an dieses unansehnliche Produkt verschwenden. Und wer denkt schon gern an die irgendwann anfallende eigene Asche im Topf in der Nische. Dass der graue Verbrennungsrückstand genutzt oder gar gegessen werden kann, klingt reichlich absurd.
Gebrannte Creme einmal anders
Der Basler Couturier Fred Spillmann (1915 – 1986) war nicht nur berühmt für seine Kreationen und seinen Lebensstil, er war auch ein von tout Bâle gerühmter Koch. In der Biografie „FS” erzählt der Journalist –minu: ”Fred Spillmann hat mir in all unsern gemeinsamen Küchenjahren 1000 Tricks beigebracht. Er hat Vanillecrème aus dem Päckchen angerührt. Dann ein Eigelb unter die erkaltete Crème geschwungen. Und zwei Zündhölzchen entflammt. Die Asche hat er über alles gestreut und untergerührt. Schliesslich gestrahlt: ‚Das Eigelb ist für die Farbe. Und die Zündholzasche steht für die Vanille-Schoten. Du wirst sehen, wie die Leute das geniessen ...’ Tatsächlich löffelte der Gästereigen beglückt die Päckchencrème aus den Kristallcoupes.”
Asche zu Glas
Asche, so meint man, habe in Dessertgläsern nichts zu suchen. Aber ohne Asche gäbe es kein Glas. ”Nimm 60 Teile Sand, 180 Teile Asche aus Meerespflanzen, 5 Teile Kreide – und du erhältst Glas” heisst es auf einer Tontafel, die der assyrische König Assurbanipal (669 – ca. 627 v.Chr.) in seiner Bibliothek verwahrte. Das Rezept war nicht neu. Schon rund 2000 Jahre früher hatte man in Mesopotamien aus Salzwasserpflanzen Pottasche (Kaliumkarbonat) gewonnen, diese mit Sand zu Küchlein zusammengebacken und zerrieben. Das Pulver wurde bei grosser Hitze zu Glasmasse geschmolzen. Mit Böhmen, Murano oder Hergiswil hatte dieses frühe Produkt noch wenig gemein; es war undurchsichtig und voller Luftblasen. Im Laufe der Jahrtausende wurde die Glasherstellung stetig verfeinert, aber die Bestandteile sind in etwa die gleichen geblieben. Die Pottasche gewinnt man allerdings nicht mehr aus eingedampften Meerespflanzen, sondern aus Gesteinsarten.
Eine saubere Sache
Dass im Wort ‚waschen’ das Wort Asche steckt, ist reiner Zufall, aber bis vor wenigen Jahrzehnten war im Waschmittel tatsächlich Asche drin. „Meine Asche! Meine kostbare Apfelholzasche verdrecken! Und die Wäsche! Ich hab dir hundertmal gesagt, dass das Tannin in den Kastanienschalen die Wäsche gelb macht ... „So habe ihre Mutter geschimpft, weil sie Kastanien-schalen ins Cheminée geworfen hatte, erzählt die französische Schriftstellerin Colette (1873 – 1955) in ihren Kindheitserinnerungen.
Um Waschlauge herzustellen, weichte man Asche, meist aus Buchenholz, tagelang in Wasser ein. Dann wurde sie aufgekocht und über die Wäsche gegossen. Die Seife, mit der man die Flecken wegrubbelte, enthielt ebenfalls Asche und war auch selbstgemacht. Das Fett von geschlachteten Tieren hat man mit Salz, Kalk und Pottasche gekocht und nach dem Erkalten in Stücke geschnitten. Draufgekommen sind wahrscheinlich auch die Menschen in Mesopotamien, und geändert hat sich daran bis zur Erfindung der synthetischen Waschmittel herzlich wenig. Aber zumindest die Herstellung der Seife konnte die Hausfrau im 20. Jahrhundert den Herren Henkel oder Steinfels überlassen.
Asche aufs Haupt
Susanna Agnelli, Enkelin des Fiat-Gründers und Schwester von Gianni Agnelli erzählt in ihrem Buch ‚Wir trugen immer Matrosenkleider’ wie sie ihre blonden Haare mit Aschenwasser aufhellte. Um dunkles Haar zu blondieren, genügte einfaches Waschen jedoch nicht. Die Venezianerinnen, in der Renaissance berühmt für ihre blonde Haarpracht, mussten dafür tagelang auf dem Balkon ausharren. Sie trugen spezielle Sonnenhüte ohne Boden und benutzten Schwämmchen an langen Stöcken, mit denen sie die Haare immer wieder befeuchteten. Das Wasser enthielt Rebenasche und manchmal auch Safran. Auch diese Technik war damals nicht neu. Die Ägypterinnen des Altertums sollen schon Färbetricks mit Asche gekannt und sogar mit blauen Frisuren Aufsehen erregt haben. Bei den Germanen hingegen seien es die Männer gewesen, die mit Buchenholzasche ihr Haar zum Erröten brachten.
So viel Aufwand wurde getrieben, wenn’s der sündigen Hoffart diente. Bei der Busse danach kam die Asche erneut zum Einsatz.
„Als nun sein Diener sie hinausgejagt und die Türe hinter ihr verriegelt hatte, streute Thamar Asche auf ihr Haupt, zerriss das Aermelkleid, ...” (2. Samuel Kap. 13 Ammons Verschuldung). Asche kommt in der Bibel an unzähligen Stellen vor. Fast immer geht es dabei um Trauer oder Busse. Wir kennen noch den Aschermittwoch, wenn die Fasnacht zu Ende geht. Früher streute der Priester an diesem Tag zum Zeichen der Busse Asche über die Gläubigen oder zeichnete ihnen mit Asche ein Kreuz auf die Stirn. Obwohl das schmutzig aussieht und trostlos anmutet, ist es gleichzeitig ein Ritual der Reinigung und Läuterung. Und ein Symbol für Neuanfang.
Mit der Asche ist die Geschichte nicht zu Ende
Der Vogel Phönix aus der antiken Legende verbrennt sich selber und wird aus der Asche immer wieder neu geboren. Für die Ägypter war er ein Sonnengott, im Christentum wurde der Phönix zum Symbol für die Unsterblichkeit und Auferstehung, also für Christus selbst.
Die Venezianer haben übrigens gut daran getan, Ihr Opernhaus ”La Fenice” - der Phönix, zu nennen. Schon zweimal, 1836 und 1996, ist es abgebrannt und beide Male aus der Asche wieder neu entstanden. Wobei natürlich auch ein tiefer Griff in die Tasche nötig war.
Asche ist kein totes Material. Im verbrannten Holz stecken Nährstoffe wie Kalisalze und Phosphorsäure, und darum gilt sie als hervorragender Dünger für Obstbäume und andere Nutzpflanzen. Noch einmal Colettes Mutter: „Und wenn’s nur um die Wäsche ginge! fuhr Sido fort. Aber du weißt doch, dass die Asche für Kartoffeln absolut rein sein muss!”
Wunderbar ökologisch, dieses Haushalten mit Asche. Im Einklang mit der Natur und mit den Jahreszeiten. Ein einziges Kommen und Gehen, Werden und Sterben ... Und was für ein Aufwand, was für eine Plackerei! Wir sind schon fast überfordert, wenn wir den Abfall sortieren sollen. Aber sortieren Sie mal Asche!
Guten Appetit!
Kugelig oder flach, als Stange, Zylinder, Pyramide oder armdicke Roulade – ihre Formen sind sehr variantereich, ihre Farbe ist schlicht grau. Cendrés, aschfarben, heissen die Käse, die meist aus Frankreich stammen und auch bei uns immer beliebter werden. Die meisten Leute halten den Belag für eine spezielle Art von Schimmel und kämen nicht auf den Gedanken, dass es sich um Asche handelt. Cendrés sind hauptsächlich aus Ziegenmilch und stammen – wir glaubens nur zu gerne – meist aus handwerklicher Produktion. Die Asche, je nach Region aus Buchen- Pappel oder Rebholz, ist nicht nur reine Dekoration. Sie beeinflusst die Bakterienbildung und damit den Geschmack. Unnötig zu sagen, dass die Käslein aus Rohmilch hergestellt sind. Sehr zum Leidwesen der Lebensmittelkontrolleure. Aber das ist eine andere Geschichte. Asche, so jedenfalls siehts der Kantons-Chemiker, hat in einem Lebensmittel nichts zu suchen. Wer will, kann ja den grauen Belag einfach abschaben. Weniger einfach wäre es gewesen, die Aschekrümelchen aus Spillmanns Vanillecrème rauszuklauben. Womit wir die Runde auf der Aschenbahn beendet hätten.